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Anne Freytag „Blaues Wunder“

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Auch Beziehungen können oxidieren – das zeigt die Münchner Autorin Anne Freytag in ihrem Roman „Blaues Wunder“ auf hervorragend schonungslose Weise. Wir erleben drei Paare auf einer Luxusyacht in einer äußerst spannungsgeladenen Atmosphäre.

Geld ist selbstverständlich in diesem kleinen Kreis von Bankern: Walter Bronstein und seine Frau Rachel haben auf ihre Yacht eingeladen, man segelt nahe der Philippinen.

Das Ehepaar verfügt über Einfluss, Macht, großen Reichtum – und über einige dunkle Geheimnisse. Per Helikopter angereist sind Nora (Ich-Erzählerin) und ihr Mann Ferdinand sowie das Paar Franziska und Kilian – die Männer sind konkurriende Kollegen in der Bank und erwarten das Angebot einer Partnerschaft. Also legt man sich ins Zeug und zeigt gute Miene zu einem eigentlich widerwärtigen Spiel, zu dem auch Schnorcheln, Kajakrennen und Kartenspiel gehören. Alle haben etwas zu verbergen, wie sich nach und nach enthüllt. Und alle zahlen einen hohen Preis für ihr Leben, das sie so eigentlich gar nicht wollen.

Der Frauen größte Schwäche sind ihre Männer, heißt es, mit Raffinesse und Geduld ordnen sie sich unter und machen doch ihre eigene gierige Performance. Es geht um den Kampf der Konkurrenten und den Kampf zwischen den Geschlechtern, genau beobachtet und durch einen direkten Stil erzählerisch voll auf den Punkt gebracht. Der Roman lebt vom einem ungeschönten Drive, ist raffiniert angelegt und hat hohen Unterhaltungswert! Frau kommt voll auf ihre Kosten. Ein Kammerspiel, in dem Rollen klar verteilt sind – bis ein blaues Wunder zu erleben ist.

 

ISBN 978-3-31110145-1   € 24,-


Philippe Collin „Der Barmann des Ritz“

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Das Hotel Ritz an der Place Vendôme hatte vor dem 1. Weltkrieg seine glanzvolle Zeit, war berühmt für französische Kultur und Lebensart und zog jede Art von Berühmtheiten an. Die Petit Bar ist eine Legende in der Welt des Luxus – und verkommt ab 1940 zu einem Ort der Illusionen, wie man nun beeindruckt in einem Bestseller aus Frankreich lesen kann.

Frank Meier ist seit 1921 der berühmte Barmann des Ritz; seine Cocktails wie Bluebird, Pink Lady oder Alexandra Highball sind gefragt – nun auch von den deutschen Offizieren, die sich neben französischen Kollaborateuren und Boheme am Tresen einfinden. Äußerst widerwillig serviert Frank Meier, der aus Österreich stammt, Jude ist und katholisch getauft, den ‚Boches‘ ihre Drinks und lauscht insgeheim ihren Gesprächen. Das harsche Regiment der Ritz-Witwe tut ein Übriges: täglich heißt es, sich neu zu arrangieren mit den deutschen Besatzern, die ab 1941 ein zunehmend hartes Gewalt-Regime in Paris etablieren. Und während rundum in der Stadt Elend, Hunger und Verzweiflung herrscht, speist man im Ritz Rinderfilet, Poularde und Seehecht. Und der deutsche Reichsmarschall verschwendet unglaubliche Mengen Wasser für seine Bäder.

Und der Barmann des Ritz lernt trotz seiner Angst in einer Welt voller Täuschungen sich mutig zu engagieren, indem er gefälschte Papiere für jüdische Bürger organisiert.

Der französische Journalist und Radiomoderator Philippe Collin orientiert sich in seinem Roman an den historischen Fakten und setzt dem berühmten Barmann ein literarisches Denkmal: eingestreute fiktive Tagebuchnotizen imaginieren nicht nur Frank Meiers Gedanken, sondern erzählen auch aus seinem Leben und seiner unerfüllten Liebe zu Blanche Auzello, der Frau des Direktors. Mit einer spannungsreichen dichten Atmosphäre überzeugt dieser Roman, der vom Mut und von Loyalität in der düsteren Zeit von 1940 bis August 1944 bewegend zu berichten weiß.

ISBN 978-3-45864512-2  € 25,-

 

Dieses Buch empfiehlt Ulrike Groffy


Kathy Reichs „Die Sprache der Flammen“

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Kriminalfälle haben ihren eigenen Slang: ganz besonders in den Thrillern von Kathy Reichs, die sich als Anthropologin wie keine zweite mit Leichen auskennt. Im neuen Band um Tempe Brennan geht es um extrem schwierige Identifizierungen.

Eigentlich wollte sich Tempe Brennan ein paar ruhige Tage mit ihrem Freund Andrew Ryan gönnen, da wird sie nachts aus dem Schlaf geklingelt: man benötigt dringend ihre Expertise in einem ungewöhnlichen Fall. Bei einem Brand in Washington sind in einem illegalen Airbnb vier verkohlte Leichen gefunden worden; eine grausige Aufgabe liegt vor der Forensikerin. Bei der weiteren Durchsuchung wird in einem Tiefkeller eine weitere Tote gefunden, die offensichtlich schon länger dort lag. Als es zu einem weiteren Hausbrand kommt, kommt Tempe Brennan den Besitzern und einer komplizierten Geschichte der Häuser auf die Spur, die bis in die Zeit der Prohibition zurückreicht.
Und dann erreichen sie anonyme Drohnachrichten auf dem Handy…

Kathy Reichs‘s Thriller sind immer eine gekonnt faszinierende Mischung aus medizinischem Bericht und genauesten Detailbeschreibungen. Schlagfertige Dialoge treffende Ironie und frappierende Plot-Twists lassen garantiert keine Langeweile aufkommen!

 

ISBN 978-3-45327525-6   € 24,-

 

 


Liz Moore „Der Gott des Waldes“

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Wälder können tückisch sein: man kann leicht die Orientierung verlieren. Der neue Roman der amerikanischen Autorin Liz Moore kreist genau um dieses Thema und führt mit viel Spannung in die emotionalen Abgründe ihrer Figuren.

Das Camp Emerson liegt im Naturreservat der Familie van Laar – einer sehr reichen Familie mit vielerlei Geheimnissen. Es ist der Sommer 1975, und wiederum sind viele Kinder und Jugendliche ins Sommerferiencamp gekommen, manche allerdings nicht ganz freiwillig. Unter anderem sollen sie lernen, sich durch Training im Wald zurecht zu finden. Auch die dreizehnjährige Tochter der van Laars ist dieses Mal dabei, um den Feiern ihrer reichen Eltern zu entfliehen. Als sie eines Morgens nicht mehr aufzufinden ist, machen sich Polizei und Freiwillige unverzüglich auf die Suche. Denn schließlich ist vor vielen Jahren auch der Sohn der van Laars plötzlich verschwunden. Und ein entflohener Mörder soll sich in den Wäldern herumtreiben…

Liz Moore hat nicht nur einen packenden Pageturner geschrieben, sondern einen umfassenden Gesellschaftsroman, mit scharfem Blick auf die Verhältnisse: auf das Verhältnis von Männern und Frauen, auf das mangelnde Recht auf Selbstbestimmung von Frauen, auf soziale Ungleichheit, Verwahrlosung und vor allem: auf dunkle Familiengeheimnisse. Ein mitreißender Roman, dessen viele Fäden und Figuren am Ende ein dicht gestricktes Netz an Beziehungen bilden. Ein New York Times Bestseller!

ISBN 978-3-40682977-2   € 26,-

 

Dieses Buch empfiehlt Ulrike Groffy


Yasmina Reza „Die Rückseite des Lebens“

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Beeindruckende Studien liefert die französische Schriftstellerin, Regisseurin und Schauspielerin Yasmina Reza in ihrem schmalen Buch, in dem sie präzise und einfühlsame Blicke auf Die Rückseite des Lebens“ wirft.

Yasmina Reza hat zahlreiche Gerichtsprozesse in Frankreich für ihr Buch verfolgt, Einblicke gewonnen in die Momente, in denen ein Leben eine fatale Wendung nimmt: es geht um Ausbrüche aus Gewalt und Wut, denen häufig Verletzungen vorangegangen sind, tradierte Muster sich ohne Gegenwehr durchgesetzt haben. Es geht um Beihilfe zum Mord; eine Mutter, die ihr Kind am Meeresrand aussetzt; um Betrug, Drogenhandel und Tricksereien in einer Dating-App, um Missbrauch und Heimtücke, oft um Mord an alten Frauen. Oder an Familien, die nicht ins Bild passen.
Aber die Autorin streut wie nebensächlich auch Autobiografisches ein: Notizen zu Begegnungen mit Vertrauten wie den Autor Imre Kertesz, den Schauspieler Bruno Ganz und den großen Theaterregisseur Luc Bondy.
In über 50 kurzen Prosastücken zeigt Yasmina Reza Momentaufnahmen aus dem Leben, in einer klaren Sprache, ohne zu moralisieren oder ein Urteil zu fällen. Rezas wärmender Blick auf das Menschliche zeugt von hoher Sensibilität auf Spektakuläres wie Banales, das ganze Leben eben – nur von hinten.

 

ISBN 978-3-44628275-9   € 24,-

 


Garry Disher „Desolation Hill“

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Vom Desolation Hill hat man einen weiten Blick auf Büsche und Steinwüste – ein unwirtlicher Ort. Er gibt den Namen für den 4. Band der Reihe um Constable Hirsch, dem wir gern auf den Schotterpisten durchs Farmland folgen.

Niemand kann die australischen Outbacks so gut beschreiben wie Garry Disher. Seine Hauptfigur Constable Paul Hirschhausen, genannt Hirsch, ist einiges gewöhnt und patrouilliert verlässlich mit seinem Toyota auf den holprigen Wegen, immer auch mit einem verständnisvollen Blick auf die sozial schwierigen Verhältnisse. Die Suche nach einem verschwundenen Backpacker aus Belgien führt ihn auf die Farm Dryden Downs, wo ihn manches befremdet. Es ist Coronazeit, und alle drehen ein bisschen durch; Coronaleugner und Verschwörungstheorien gehen um. Dass die Tochter seiner Freundin massiv online gemobbt wird, bereitet Hirsch schon genug Sorgen, da findet er eine verkohlte Leiche am Straßenrand. Und als dann noch ein Hund durchdreht, beginnt Hirsch zu ahnen, wo ein paar Fäden zusammenlaufen – doch da kommt ihm die Bundespolizei dazwischen.

Desolation Hill ist ein Krimi, der nicht nur durch stimmige atmosphärische Beschreibungen und die sympathische Figur des Constables besticht, sondern auch durch seinen raffiniert komponierten Spannungsaufbau. Bis sich am Ende alles zu einem fulminanten Showdown zusammenfügt, vergeht eine lange Weile – großartig!

ISBN 978-3-29300599-0   € 24,-

 

Dieses Buch empfiehlt Ulrike Groffy

 


Kristine Bilkau „Halbinsel“

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Die Hamburger Autorin Kristine Bilkau hat den Preis der Leipziger Buchmesse 2025 gewonnen.

Für ihren überzeugenden Roman, der am Beispiel einer neu zu justierenden Mutter-Tochter-Beziehung den gesellschaftlichen Wandel zeigt.

Annett, die Ich-Erzählerin in diesem Roman, lebt auf einer Halbinsel an der Nordsee, ist früh verwitwet und hat ihre Tochter Linn allein aufgezogen. Nach einem Zusammenbruch, den Linn während eines Vortrages erlebt, bricht sie mit ihrem Leben, kündigt den gutdotierten Job in Berlin für ein Unternehmen, das sich mit Aufforstung beschäftigt und zieht zunächst für ein, zwei Wochen zu ihrer Mutter.

Aus den Wochen wird ein ganzer Sommer, in dem Mutter und Tochter neu zueinander finden müssen – denn weiß man als Mutter wirklich, wie es der eigenen Tochter eigentlich geht? Müssen Töchter die Erwartungen der Mütter erfüllen?

Annett fühlt sich hilflos gegenüber der Antriebslosigkeit ihrer Tochter, die am Ende einen Job in einer Bäckerei annimmt. Und doch dabei ihr Ziel nicht aus den Augen verliert.

Umsichtig und mit ruhigem Erzählfluss thematisiert Kristine Bilkau den Konflikt zwischen Fürsorge und Freiheit und stellt die Frage, wer in dieser Welt zahlloser Krisen eigentlich noch krisenfest sein kann.  Es geht um sich verändernde Lebenswirklichkeiten und nicht zuletzt Linns Einsatz für den Klimaschutz, der seine Entsprechung in exzellenten Naturbeschreibungen findet. Ein kluger Gesellschaftsroman!

 

ISBN 978-3-63087730-3  € 24,-

 

Dieses Buch empfiehlt Ulrike Groffy


Cay Rademacher „Nacht der Ruinen“

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Der Einmarsch amerikanischer Truppen im Rheinland und natürlich auch in Köln im März 1945 hat Cay Rademacher zu einem großartigen Roman inspiriert, der auch ein Krimi ist. Fiktion und Historie geben diesem Buch einen fesselnden Sog.

Köln in Ruinen: zerbombt, zerstört, alle Brücken gesprengt – auf der anderen Rheinseite wird noch gekämpft. Joseph Salomon (Joe Salmon) kehrt als amerikanischer Soldat in seine Heimatstadt zurück, speziell ausgebildet, Kontakt zur deutschen Bevölkerung aufzunehmen. Beim letzten großen Angriff der Alliierten ist ein amerikanischer Bomberpilot abgestürzt und in einer ausgebrannten Kirche gelandet. Dort wurde er gelyncht – ein Kriegsverbrechen, das aufgeklärt werden muss. Joes Suche nach dem Mörder führt ihn gemeinsam mit dem britischen Kriegsreporter George Orwell durch die ganze Stadt: vom Hauptquartier der Alliierten im Allianzgebäude über Braunsfeld, sein Heimatveedel Sülz, den Melatenfriedhof und natürlich auch Bayenthal und Marienburg, wo er eine alte Freundin wiedertrifft, die inzwischen mit einem berühmten Arzt verheiratet ist. Die Orientierung in den zerstörten Straßen ist ebenso schwierig wie die Zeugenbefragung: alle wissen etwas und keiner will etwas sagen. Nur Irmgard Keun hat mancherlei gesehen…

Atmosphärisch dicht, genaue Ortsbeschreibungen und die einfühlsam beschriebene allgemeine Trostlosigkeit in einer zerstörten Stadt mit ihren Ruinen und zerlumpten Gestalten machen diesen Roman zu einer beeindruckenden Lektüre.

Natürlich ist Köln die schönste Stadt der Welt – aber das war sie nicht immer. Daran zu erinnern, taugt dieser aktuelle Roman – ein Antikriegsroman – allemal. Damit diese Zeiten nie wiederkehren.

ISBN 978-3-75580034-7    € 24,-

 

Dieses Buch empfiehlt Ulrike Groffy


Martin Mosebach „Die Richtige“

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Ein Kammerspiel, ein Künstlerroman, vor allem aber ein kunstfertiges Stück Literatur – das ist der neue Roman von Martin Mosebach. Es geht um Kunst und die Menschen um die Kunst herum, die hier raffiniert und nicht ohne einen gewissen Manierismus zur Darstellung kommen.

Louis Creutz ist ein erfolgreicher Maler, der alles seiner Arbeit unterordnet. Eigentlich ein genau kalkulierender Unsympath, der auf der Bühne seines Ateliers seinen Auftritt pflegt. Sein Sujet sind die Frauen, genauer: „die malerische Erfassung des weiblichen Körpers.“ Kurz: perfekte Akte. Doch ohne Mäzene geht es nicht, so folgt er nur zu gern der Einladung eines befreundeten Ehepaares nach Venedig, wo er Astrid kennenlernt. Und sie flugs mit einer kleinen Intrige an den erfolgreichen Unternehmer Dietrich als Ehefrau vermittelt. Und so entspinnt sich eine spannende, mit überraschenden Wendungen gespickte Geschichte um eine kleine Gruppe an interessantem Personal.

Martin Mosebach beschreibt seine Figuren nicht, er malt sie mit offensichtlichem Genuss mit Worten, nicht ohne Scharfzüngigkeit – zum großen Vergnügen seiner Leser. Fein ausgelotete Dialoge, ein ruhiges, genau gesetztes Erzählen und ein langer Spannungsbogen mit überraschenden Wendungen geben diesem Roman die veredelte Würze. Man täusche sich aber nicht: auch Kunstwerke können Täuschungen sein!

 

ISBN 978-3-42328455- 4    € 26,-

Dieses Buch empfiehlt Ulrike Groffy


Christina Hesselholdt „Venezianisches Idyll“

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Venedig steht für Schönheit gleichermaßen wie für Verfall. Und doch hat diese Stadt eine einzigartige Anziehungskraft, auch für die Literatur. Die vielfach prämierte dänische Autorin Christina Hesselholdt entwirft in ihrem Roman ein literarisches Vexierspiel im Labyrinth der Gänge und Kanäle, dass so besonders wie skurril ist.

Gustava heißt die Hauptfigur, ist Psychiaterin, fühlt sich leer und aufgebraucht und will ihrem Leben ausgerechnet am Polarkreis in Tromsø ein Ende setzen. Nicht ohne ihren Bruder Mikael, mit dem sie eine liebevolle Beziehung mit gewissen Abhängigkeiten verbindet, noch in einem Brief zu informieren. Mikael, äußerst beunruhigt, reist seiner Schwester nach, die inzwischen doch zum Glück beschlossen hat, in den Süden aufzubrechen: verspricht La Serenissma doch Lebenslust und Sinnenfreude, tägliche Negronis inklusive. Und während sich Mikael auf den Spuren Gustav von Achenbachs auf der Suche nach seiner Schwester in Venedig verirrt, versucht Gustava, sich den Anspannungen und Zwängen in ihrem Leben zu entziehen.

„Venezianisches Idyll“ ist ein moderner, aktueller Roman, der durch seine vielen literarischen Motive und Anspielungen und die ungewöhnliche Form mit einem wechselseitigen kommentierenden Erzähler sehr besticht. Und nicht nur im Thomas-Mann-Jahr pointiert unterhält!

ISBN 978-3-44628249-0   € 24,-

 

Dieses Buch empfiehlt Ulrike Groffy


Katharina Hagena „Flusslinien“

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In ihrem neuen Roman erzählt Katharina Hagena Lebensgeschichten an zwölf Sommertagen – berührende Lebensgeschichten, in denen es auch um Singen und Zeichnen geht, um ein Orchester für Luftinstrumente und die große Idee eines Tattoos, um Maulwurfshügel und den Schierling-Wasserfenchel.

Margrit ist schon 102 Jahre alt, hört nicht mehr gut und lässt sich jeden Tag von ihrem Heim am Elbufer von Arthur samt Rollator in den Römischen Garten am Elbhang in Blankenese bringen – für sie ein Ort mit vielen Erinnerungen, besonders an ihre große Jugendliebe Else, die diesen Garten im Auftrag der Familie Warburg gepflegt hat. Während Margrits Tochter Brisko einen Wasserturm umbauen will und so gar nicht mit ihrer Tochter Luzie klarkommt, die in eine DLRG-Hütte am Elbstrand gezogen ist, um sich nach einem schrecklichen Erlebnis eine „Auszeit“ zu nehmen. Am Strand ist auch Arthur stetig unterwegs, um nach verschütteten Schätzen im Elbschlick zu suchen, auch er hat mit dunklen Gedanken zu kämpfen.

Katharina Hagena liefert mit den „Flusslinien“ einen ruhig und klug erzählten Gegenwartsroman, in dem viele Themen angesprochen und motivisch dicht miteinander verwoben werden – gleich einem dichten Teppich an Wasserpflanzen. Das Motiv vom Fluss als Ort des Lebens und Vergehens ist nicht neu, aber hier atmosphärisch dicht und überzeugend durchgestaltet. Fast kann man die Elbe riechen, und so ist dieser Roman auch eine Hommage an den großen Strom.

ISBN 978-3-46200729-9   € 24,-

 

Dieses Buch empfiehlt Ulrike Groffy

 


Jakob Hein „Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste“

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Ausgerechnet Franz Josef Strauß hat der nahezu zahlungsunfähigen DDR 1983 mit einem privaten Bankenkonsortium aus dem Westen zu einem Milliardenkredit verholfen – ein Deal wirtschaftlicher Interessen und Ergebnis einiger privater Beziehungen. Ein echter Coup, um den sich Legenden ranken. Denen Jakob Hein nun eine phantasievolle wie überaus witzige Geschichte hinzufügt, mit einer „verwegenen Idee.“

Grischa Tannberg nämlich, gewitzter Held in diesem komischen Roman und Sohn strammer Parteigenossen mit einer eigenwilligen Vorliebe zu Kino und überhaupt Filmbegeisterter, wird Mitarbeiter in der Staatlichen Planungskommission (PlaKo) Außenwirtschaft in Ostberlin, bezieht eine Zwei-Raum-Wohnung im Plattenbau und wird als erstes aufgeklärt, dass seine Aufgabe im „kunstvollen Warten“ bestünde.  Doch als Jungaktivist er hat sofort einen genialen Einfall, was die Handelsbeziehungen zwischen der DDR und Afghanistan angeht, schließlich hat man ja einen Freundschaftsvertrag. Stichwort: Afghanische Spezialitäten als Exportschlager für den Westen, angeboten im Freundschaftsladen am Grenzübergang in Berlin. Was nicht nur zu tumultartigem Grenzverkehr führt, sondern auch westdeutsche Politiker aufschreckt, die zügig nach Bayern zum deutsch-deutschen Gespräch einladen…

Jakob Hein ist ja nicht nur Schriftsteller, sondern auch Psychiater und weiß genau um das Tragisch-Komische im Menschlichen. Einmal mehr bringt er uns mit einem Buch zum Lachen, wunderbar!

 

ISBN 978-3-86971316-8   € 23,-

 

Dieses Buch empfiehlt Ulrike Groffy