WILLKOMMEN BEI LEUENHAGEN & PARIS

Andreas Winkelmann
am 25.10.2024
in der Apostelkirche
Aimée Carter und Tobias Goldfarb
am 22.10.2024
Heinrich Thies
am 17.10.2024
Bodo Kirchhoff
am 10.10.2024
Ein Infarkt ist eine Herzensangelegenheit – keine Frage. Jan Weiler liefert mit seinem neuen „Munk“ eine umfassende und humorige Analyse moderner Liebesbeziehungen und ihrem Scheitern, entstanden aus Kolumnen, die in der NZZ am Sonntag erschienen sind.
Peter Munk, 51, ledig, bekommt ausgerechnet auf einer Rolltreppe eines Kaufhauses in Zürich einen Herzinfarkt, worüber er weniger verwundert denn vielmehr empört ist. Er ist erfolgreicher Architekt und Chef eines großen Büros, das international tätig ist, und wurde gerade von seiner Freundin für einen Perkussionisten verlassen, der auch noch Liegerad fährt, was ihn sehr ärgert. Nach Krankenhaus und Operation wird Munk eine Reha empfohlen, in einem Fünfsternehotel mit Wellness im Schwarzwald (gedünsteter Sellerie an Blattsalat), wo er die Chance bekommt, sein Leben zu ändern. Der beratende Psychiater empfiehlt Munk, doch einmal über seine Beziehungen zu Frauen nachzudenken. Und derer gibt es so einige in Munks Leben, genauer gesagt 14, von Judith bis Nadja über Harper und Claudia; Beziehungen, die bereichernd, schön, überraschend, aber auch anstrengend und kummervoll waren; manche davon dauerten länger, andere waren nur sehr kurz. Geneigte LeserInnen erfahren nun alles übers erste Treffen, Gespräche und natürlich auch das körperliche Näherkommen; aber auch so einiges über Munks Vater, einen ganz unangenehmen Typen von Bauunternehmer, der geschäftlich die Leute gern über den Tisch gezogen hat und privat ein ziemliches Arschloch war: seine Affären hat er minutiös in Aktenordnern dokumentiert…
Jan Weilers Roman über Liebesbeziehungen ist flott zu lesen, auch wegen der pointierten Charakterisierungen und vielen Facetten, die sich hier finden. Natürlich wird hier auch übertrieben, aber das macht ja bekanntlich anschaulich. Ein Lesevergnügen mit Tiefgang!
Dieses Buch empfiehlt Ulrike Groffy
Jan-Philipp Sendker
am 05.09.2024
Arno Strobel
am 30.08.2024
in der Apostelkirche
Arno Strobel
Nach „Glutspur“ nun ein neuer Fall für die Privatdetektivin Liv Jensen, einem spannenden Bestseller aus Dänemark, in dem es so gar nicht beschaulich zugeht.
Alles dreht sich um verwickelte Ermittlungen und einen unaufgeklärten Fall, der bereits 30 Jahre zurückliegt.
Liv Jensen bekommt einen Anruf von ihrem ehemaligen Kollegen bei der Polizei, Petter, der sie um Hilfe bittet. Auf einer kleinen Insel wurde ein iranisch-dänischer Mann mit durchgeschnittener Kehle in einem Zelt gefunden. Ein Familienausflug? Seine beiden Kinder, Sohn und Tochter, sind nun verschwunden, und Liv soll heimlich nachforschen.
Ihre Ermittlungen sind nicht ungefährlich und konzentrieren sich zunehmend auf ein ehemaliges Flüchtlingslager, wo 1990 ein Migrant spurlos verschwunden ist. Liv kann nicht wissen, dass ihr Nachbar Nima ehemals ein enger Freund des Ermordeten war, auch er ist vor langer Zeit unter schwierigen Bedingungen aus dem Iran geflohen…
Viele Spuren und Erzählstränge bilden hier ein intensives Geflecht an Spannung. Es geht um Gewalt gegen Flüchtende, den langen Arm eines unmenschlichen Regimes, um Selbstverleugnung und Heimischwerden. Bedrückend und emotional, ein tiefgründiger Krimi.
Dieses Buch empfiehlt Ulrike Groffy
Ein Krimi Noir aus Hannover – mit Berliner Obertönen. Autor Jakob Nolte kommt aus Barsinghausen und lebt in der Bundeshauptstadt, man kennt ihn vor allem durch seine erfolgreichen Theaterstücke. Hannover mal von unten – kritisch und witzig und auch ein bisschen absurd.
Polizeikommissarin Rita Aitzinger liebt es, morgens aufs Wasser zu schauen. Ihr Leichenfund im Ihmepark passt da nicht wirklich: der Tote lehnt an einem Baum, mit Kopfhörer in den Ohren und einem PopSong in Dauerschleife, Inlineskates an den Füßen. Ein Student der Geisteswissenschaften, der in einer WG in Linden gewohnt hat, wie rasch ermittelt wird. Rita und ihr Kollege Ilia Schuster begeben sich auf Spurensuche: nicht nur in Dating-Apps, sondern auch in der WG, in Hamburg bei einer Ex-Freundin und überhaupt in Milieus, die man so von Hannover nicht kennt, oder doch? Natürlich kommen noch weitere Fälle hinzu, alles ist schwierig und verwickelt.
Ein irgendwie klassischer Krimi und doch nicht, mit Popelementen, ziemlich vielen Dialogen von scharfem Witz, viel Feminismus und natürlich auch ein bisschen kriminellem Klatsch aus der Hannover. Polizei und manche Berühmheit der Stadt kommen nicht gut weg, und die Pathologie der MHH ist ziemlich zynisch drauf.
Man spürt die Liebe des Autors zum Theater…
Dieses Buch empfiehlt Ulrike Groffy
Das Leben ist nie einfach, auch nicht auf dem Land. Aber für Kinder kann es das Paradies sein. Davon erzählt die britische Autorin Sadie Jones auf stilsichere Weise.
Und davon, wie Lebensträume sich verändern können.
Zu Beginn des Romans, der sich über einen Zeitraum von fünf Jahren erstreckt, sind Amy und Lan sieben Jahre alt und leben auf dem ehemaligen Bauernhof Frith irgendwo im Westen Englands, den ihre Eltern mit Freunden mit viel Mühe und wenig Geld hergerichtet haben: ein kleines Paradies. Mit Truthähnen, Hühnern, Kätzchen, Lämmern und Schweinen und am Ende sogar einer Kuh. Zu viel Lust auf Hofarbeit haben die Erwachsenen allerdings nicht und müssen ohnehin noch anderen Jobs nachgehen, denn trotz aller gekochter Marmelade oder selbstgemachter Seifen ist es klamm mit dem Geld. Und auch ein Bed-and-Breakfast-Angebot in einer umgebauten Scheune mit Häckselklo und ohne Internet bringt nicht den Umsatz. Doch die Kinder, aus deren Perspektive hier abwechselnd erzählt wird, sind glücklich und ziemlich frei, stellen allerhand Blödsinn an und haben viele Möglichkeiten, die Welt und Natur zu entdecken. Und mit der Zeit feine Sensoren zu entwickeln für die Welt der Erwachsenen, die so einfach nicht zu sein scheint.
Ein anekdotischer Roman, komisch, direkt, sehr unterhaltsam mit vielen witzigen Dialogen und irgendwie auch lehrreich: Bullerbü gibt es nicht mehr.
Dieses Buch empfiehlt Ulrike Groffy