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Norbert Gstrein „Der zweite Jakob“

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Ist das Leben ein Rollenspiel? Wie sehr prägt einen Schauspieler, was er während des Spiels empfindet? Insbesondere, wenn er drei Mal einen Frauenmörder gemimt hat? Der österreichische Autor Norbert Gstrein hat einen spannenden wie philosophischen Roman über wichtige Fragen des Lebens geschrieben.

Jakob Thurner steht kurz vor seinem 60. Geburtstag und hadert mit dem Alter. Und einer geplanten Biografie, deren Erscheinen er nach einigen wenigen Gesprächen mit dem Autor verhindert. Zu eng scheint ihm das Abhandeln seiner Lebensdaten. Die geplante Amerikareise mit seiner Tochter Luzie ist abgesagt, nachdem sie erfahren hat, was ihr Vater als das „Schlimmste“ in seinem Leben ansieht, was er je getan hat. Bei Dreharbeiten an der texanisch-mexikanischen Grenze war er als Beifahrer an einem schrecklichen Unfall beteiligt. Ausgerechnet an einem Ort, wo die mexikanischen Drogenkartelle auf brutalste Weise agieren.

Norbert Gstrein verknüpft auf spannende Weise verschiedene Erzählstränge, lässt seinen Jakob von seinem Leben, seinen Rollen, seinen Lieben und Sehnsüchten erzählen und fordert dem Leser durchaus verschiedene, auch moralische Lesarten ab. Warum tut man Dinge im Leben, die einen nicht mehr loslassen? Auch aus diesem Schwanken zwischen Verständnis und moralischer Verurteilung bezieht dieser ungeheuer flüssig und elegant geschriebene Roman seinen inneren Suspense. Und überträgt die Anspannung seines Helden auf den Leser – denn Jakob empfindet ein tiefes Gefühl der Scham. Ist er doch der „zweite Jakob“ – ein jüngeres Alter Ego seines Onkels, der als eine Art Hausgespenst sein Leben in schlichten Hotelzimmern der vermögenden Hotelbesitzerdynastie verbringt.

Ein kunstvoll gesponnener, auch unheimlicher Roman, in dem Norbert Gstrein einmal mehr zeigt, wie schicksalhafte Begebenheiten, eigene Wahrnehmungen und Vermutungen ein Leben bestimmen können – und es verändern. Großartig!

ISBN 978-3-446-26916-3  €  25,-

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